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Auf den neuen Roman von Ingo Schulze, der in den 90er Jahren mit den "Simple Storys" bekannt wurde, haben wir 7 Jahre gewartet. Der Autor wendet auch in diesem Roman einen erzähltechnischen Trick an: er fungiert als Herausgeber der Briefe und Prosastücke des Enrico Türmer, der Hauptfigur, und versieht sie mit Kommentaren und Fußnoten. Es gelingt dem Autor auch diesmal, die Zeit der frühen neunziger Jahre, die Zeit nach der Wiedervereinigung atmosphärisch dicht darzustellen. Enrico Türmer ist eine Figur, die einem nicht sonderlich sympathisch sein muss, die aber wie in einem Brennspiegel die Widersprüche jener Zeit im Osten auf den Punkt bringt. Wie in "Simple Storys" geht es um das Städtchen Altenburg. Enrico Türmer ist, fast wider Willen, zu einer Symbolfigur der "Wen-de" 1989 dort geworden und hat eine bedeutsame Rede in einer Kirche gehalten. Er gründet dann eine Wochenzeitung in Altenburg und entwickelt sich zu einem formidablen Geschäftsmann. Das Theater und die Kunst, denen lange seine ganze Energie gehörte, hat er dabei hinter sich gelassen. In vielen kleinen Sequenzen wird die ganze Unsicherheit, der Zusammenbruch von Idealen, das Verschwinden eines Selbstverständnisses dargestellt - die Zeit der frühen neunziger Jahre tritt uns hier als "Geschichte" entgegen, in den beiden Bedeutungen des Wortes. Der Roman ist sehr umfangreich und voller Geschichten. Bei mir konnte sich keine große Begeisterung einstellen: wahrscheinlich weil er sehr umfangreich ist und weil man mittlerweile schon fast genug bekommen hat von den Wende-Geschichten. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass man in ein paar Jahren, wenn man sich über die Wende informieren will, zu diesem Roman greifen wird *BuM* M. Fritz |
